Videos im Loop zur Art Week
Sandra Becker, Albrecht Fersch, Maria Korporal, Sabine Linse, Lilla von Puttkamer, Ioannis Savvidis, Lina Theodorou, Elgin Willigerodt, Juliane Zelwies
28. / 29. April 2018
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  • Sandra Becker | „Interview 1–6“
  • Albrecht Fersch | „ODIN A4“
  • Maria Korporal | „Naked“
  • Maria Korporal | „in-volo-quadrato“
  • Sabine Linse | „Eklipse“ | 2006 | Single Channel Video, 11 min 29 sec, Loop
  • Sabine Linse | „Rites de Passage II: The Cave: Eiskellerkurzfilm“ | 2016 | Video, 19 min 07 sec
  • Lilla von Puttkamer | „Schattenwelt II“, 2013 (Performance und Choreographie Karen Bößer)
  • Ioannis Savvidis | „Silver patrol“ | 2014 | HD video, color, sound, 4:25 Min
  • Lina Theodorou | „Holy Motion“ | 2014 | HD video, color, sound, 2 Min
  • Lucia Gerhard | „Alternate Exterior Angles of Constant Departure“ | Skulpturen: Elgin Willigerodt, Tanz: Anna Melnikova
  • Juliane Zelwies | „Untitled (drawing)“ | 2005–2015 fortlaufend

Sandra Becker: „Interview 1–6”

Das Bild der Ameisen wurde in Brasilien entwickelt. Als Stipendiatin am Goethe-Institut der Großstadt Porto Alegre gab es Raum und Zeit, Menschen in ihrer urbanen Umgebung zu beobachten. Die Brasilianer*innen faszinierten mit ihren leicht wirkenden und schwungvollen Bewegungen bei harter Arbeit auf der Straße. Wie sie in Teams zusammen arbeiten sah nach guter Kooperation aus und erinnerte an die Effizienz riesiger Ameisen.

In der Beobachtung der Ameisen wurde die Kamera zum Vergrößerungsglas. Die Ameisen tragen Gewichte, die größer sind als sie selbst. Es muss eine extrem hohe Konzentration aufgewendet werden, um unter der Last nicht zusammen zu brechen. Der Trick ist, dass die großen Blätter immer nur ein kurzes Stück getragen werden. Dann übernimmt die nächste Ameise.

Ameisen sind extrem gut organisiert und arbeiten sehr arbeitsteilig. In Porto Alegre gibt es einige Künstler*innen, die ebenso arbeitsteilig ihre Prozesse aufgliedern und in Gruppenkontexten arbeiten. Hochkarätige Künstlerinnen arbeiten äußerst effektiv mit anderen Frauen in Teams und sind international vernetzt.

Dabei spielen die sozialen Medien eine große Rolle, aber nicht nur. Es ist auch die Offenheit, mit der sich begegnet wird. Die Interviews sind Auszüge der Gespräche über soziale Kommunikationsformen.

Der Titel „social dissolve” beschreibt die Veränderungsprozesse des Umgangs miteinander. Thema war auch, wie Vernetzung plötzlich global möglich ist und Diversität in alle Richtungen vereinfacht, sei es zwischen den Geschlechtern, gesellschaftlichen Schichten, den verschiedenen Generationen oder den Nationalitäten. Das Zusammensein nimmt durch die virtuellen Ebenen ganz neue Formen an.

Albrecht Fersch: „Video ODIN A4”

Der Film von Albrecht Fersch zeigt einen irrgartenartigen Weg durch die Installation ODIN A4 im „Kunstsalong” des Schweinfurter Kunstvereins 2013. Die ca. 5000 leeren DIN-A4-Blätter bildeten in dem 34 Meter langen Raum einen weißen, hellen Blätterwald, der behutsam durchschritten werden konnte, bis man am Ende des Ganges in helles Scheinwerferlicht tauchte.

Das DIN-A4-Format begleitet unseren Lebensweg, von der Geburtsurkunde über Schulzeugnisse, amtliche Formulare und Verträge, Mahnschreiben, Bewerbungsunterlagen, Gutachten, über Rechnungen, Zulassungsbelege und Personalakten bis hin zum Totenschein. Ein genormtes, bürokratisches Format, dem nahezu gottähnliche Bedeutungsdichte zufällt; als Hoffnungsträger, als Zensur, als Bekenntnis und als letzte Instanz.

Maria Korporal: „Naked”

Das Video ist das Ergebnis einer Begegnung zwischen einer Dichterin und einer bildenden Künstlerin. Auf dem Weg des Lebens teilen sie ihre Geschichten und öffnen verschiedene Räume und Zeiten. Die Bilder und Klänge sind aus einem Stein entstanden – einem Altarstein, den die Künstlerin für ihr Video „Opfer” aufstellte und danach abnahm. Über den Boden verteilt, sind die Steine immer noch da und warten darauf, in Kunstwerken wiedergeboren zu werden. Der für ihn ausgewählte Stein wurde im trockenen Gras wiederentdeckt: Er erhält ein neues Leben in der Hand des Künstlers. Das Gedicht wurde speziell für das Video geschrieben und wird hier zum ersten Mal veröffentlicht. „Naked” – weil, wie die Dichterin sagt, Stein nackt ist. Wir müssen es nur öffnen, damit es lebendig herauskommt.

Maria Korporal: „in-volo-quadrato”

Versuch, Quadrate statt Kreise um einen ins Wasser gefallenen Stein zu „zeichnen” und „Versuch zu fliegen”, zwei Arbeiten von Gino De Dominicis aus dem Jahr 1969, inspirierten Maria Korporal in ihrer Performance in diesem Video. Den Gesetzen der Schwerkraft trotzend, versucht die Künstlerin in die von De Dominicis so ersehnte Unsterblichkeit einzutauchen.

Sabine Linse: „Eklipse”

2006, Single Channel Video, 11 min 29 sec, Loop, Ort: Berlin, Flughafensee.
Das Video hat nur eine Einstellung, in der minimale Veränderungen stattfinden. Das Wasser bewegt sich in leichten Wellen nach vorn. Am Seegrund kreist ein Schwarm Fische. Eine Ente schwimmt parallel zum Bildrand und kehrt zurück. Fische springen und fallen wieder ins Wasser. Man hört Vogelrufe, das Starten und Landen der Maschinen am Flughafen.

Sabine Linse: „Rites de Passage II The Cave: Eiskellerkurzfilm”

2016, Video, 19 min 07 sec.
Das Video dokumentieren den Eingang eines Eiskellers vom Beginn der Dämmerung bis zur absoluten Dunkelheit, von der Nacht bis zur Ankunft des Tages. Sommer und Winter. Abend- und Morgendämmerung werden direkt aneinandergehängt. Es gibt weder Tag noch Nacht, sondern nur die Dämmerungen, die als Zeit der Übergänge traditionell eine Zeit zwischen den Welten und damit des Eintritts magisch-imaginärer Vorgänge und Besucher ist. Die Blende der Kamera ist so eingestellt, dass zu Beginn der Abenddämmerung die Landschaft „normal” hell zu sehen ist, im Laufe der Dämmerung wird sie – die Landschaft – immer dunkler. Einzige Konstante ist das rote Licht, also der innere Bereich des Berges, der sich dem Auge entzieht und der Imagination freien Raum lässt.

Lilla von Puttkamer: „Schattenwelt II”

2013 (Performance und Choreographie Karen Bößer).
Projektionen und Erinnerungen entziehen sich auf spielerische Weise rein logischen Erklärungen. Die Bilder laden ein zum Blick in einen Traumspiegel, eine Reflektion des Halb- und Unbewussten. Zustände zwischen Wachen und Träumen, genau wie Wechsel zwischen Realität und Fiktion gleiten ineinander. Im Mittelpunkt des Interesses steht der Mensch mit seinen Leidenschaften und Verstrickungen, die sich in Zwischenzuständen und Uneindeutigkeiten ausdrücken.

Ioannis Savvidis: „Silver patrol”

2014, HD video, color, sound, 4:25 Min.
„Silver Patrol” ist eine Videoarbeit, die sich der Ästhetik der Kriegszonen-Fernsehreportage aneignet. Ein UN-Soldat wird bei seiner Silvesterpatrouillenfahrt durch die Straßen von Berlin gefilmt (Kamera: Lina Theodorou). Die beeindruckende Menge an feierlich rituellen Aktivitäten, die überall in der Stadt erlebbar sind, stellt die Unterscheidung zwischen bürgerlichem Raum und Kampfzone in Frage; Geschichte und Schauspiel.

Lina Theodorou: „Holy Motion”

2014, HD video, color, sound, 2 Min.
„Holy Motion” gehört zu einer Serie von Videoperformances, die Lina Theodorou in den letzten Jahren (in Berlin lebend) aufgeführt und gefilmt hat. Durch diese Performances wird der Versuch unternommen, sich an die neuen Lebensumstände anzupassen. Sie beziehen sich explizit auf diese Stadt und ihren Einfluss auf ihre Empfindungen die sich neu sortieren müssen. „Holy Motion” ist eine persönliche Geste im öffentlichen Raum, die zwar Bewegung und Veränderung suggeriert, diese aber scheinbar nicht verwirklicht.

Elgin Wiligerodt: „Alternate Exterior Angles of Constant Departure” von Lucia Gerhard

Skulpturen: Elgin Willigerodt, Tanz: Anna Melnikova
In dem Video „Alternate Exterior Angles of Constant Departure” von Lucia Gerhard sieht man die Tänzerin Anna Melnikova zu Skulpturen von Elgin Willigerodt tanzen. Die Skulptur „Ragtime“ besteht aus zwei formidentischen, aber farbverschiedenen Konstruktionen aus Holz. Die minimalistisch-konstruktiven Skulpturen erinnern an die Silhouette einer abstrahierten tanzenden Figur. Aus der Gegenüberstellung der Skulpturen zu einer realen menschlichen Figur, der Tänzerin, und dem Ort des Drehens, dem Velodrom in Berlin-Pankow, ergibt sich ein Wechselspiel mit einer ganz eigenen Dynamik. Die filmische Verfremdung durch Spiegelung und Vervielfältigung, wie auch die Musik erweitern den Film um zwei Wahrnehmungsebenen.

Juliane Zelwies: „Untitled (drawing)”, 2005–2015 fortlaufend

Alle fünf Jahre nimmt die Künstlerin die Arbeit mit Papier und Bleistift auf, um ein Selbstporträt zu zeichnen. Spielerisch knüpft sie an Fragen an, mit denen schon der spanische Hofmaler Diego Velázquez mit Las Meninas die Welt verwirrte. Denn wen blickt die Zeichnende an? Sich selbst im Spiegel. Uns, den Betrachter. Oder ein Modell, das außerhalb unseres Blickfeldes steht? Was als Experiment mit der Kamera begann, ist für die Videokünstlerin zu einer Auseinandersetzung mit der eigenen Vergänglichkeit geworden. Diesem persönlichen Alterungsprozess steht die permanente Erneuerung der Technik entgegen: Jedes Mal, wenn sie das Papier für eine neue Zeichnung wendet, wird für einen kurzen Moment sichtbar, welches Kamera-Modell der Künstlerin Modell gestanden hat.